Wir hatten uns den Wecker gestellt, wollten zeitig aufbrechen. Bis zu Slingsby Varden mußten einige hundert Höhenmeter bewältigt werden, die Gletscherquerung ist einige Kilometer lang. Lieber mit etwas Reserven starten, dachten wir uns.

Über dem Tal machten wir einige Wolken aus, aber bei dem blauen Morgenhimmel konnte es nur ein spitzen Tag werden, hofften wir.
Es gab Outdoor-Müsli zum Frühstück, dann packten wir das Zelt ein und starteten unser Abenteuer.
Auf den letzten Gipfelmetern ... hatten wir auch den letzten Blick zurück ins Oldendal: aber ... dicke Wolken versperrten die Sicht nach unten, hier ... waren wir über den Wolken.
Die schrägen Platten kurz vor dem Gipfelpunkt: mit guten, rutschfesten Schuhen gibt es hier gar kein Problem.

Im Hintergrund sieht man die Gletscherzunge Briksdalsbreen, links daneben ist der Gipfel des Svartenibbas zu sehen - der Punkt ist unser Etappenziel, wir wollten den Briksdalsbreen auf dem Gletscherplateau umrunden und den Abstieg eben über den Svartenibba machen.

Eine lange Tour stand uns bevor.
Angekommen!

Wir sitzen am Gipfelpunkt des Kattanakkens. Rechts hinter uns, oben am Übergang zwischen Eis und dem Himmel sieht man Slingsbyvarden als letzten dunklen Punkt im Eis: das ist unser nächstes Etappenziel.
Angekommen am Gipfel läuft man die gleiche Richtung weiter, der Weg führt einige Meter abwärts, der Gletscher Tjøtabreen liegt vor uns.

Wir seilen uns an und laufen über den fast schneefreien und wirklich spaltenreichen Gletscher in Richtung Süden weiter.
Am Ende des Eises passierten wir ein Schneefeld, wir liefen über schräge Steinplatten nun direkt auf Slingsbyvarden zu.
Am unteren Ende des Melkevollbreen ist ein großer Gletschersee nahe des Kattanakkens: diesen eisbedeckten See kann man vom Tal aus nicht sehen.
Unterhalb von Slingsbyvarden findet man einige Steininseln im Gletscher und Eis, man quert den Gletscher gut nahe dieser Steininseln.
Wir stehen hier einige hundert Höhenmeter direkt unterhalb des Steinmännels von Slingsbyvarden: das Gletschereis liegt dicht gepackt am Aufstieg zum Gipfel, aber ... man sieht die aufgerissenen Spalten deutlich.

Wir liefen auf den Melkevollbreen ... die meisten Sorgen jedoch machten uns die aufkommenden Wolken nahe des Tops des Slingsbyvarden ... mußten wir wieder abbrechen? Wird die Tour gelingen?
Ein wahnsinnig schöner Blick zurück ins Oldendal: wir waren mehr als 1600 Höhenmeter aufgestiegen, standen nun kurz vor Slingsbyvarden.
Der Melkevollbreen war gequert, wir standen wieder auf Stein: die letzten Meter zum Top des Slingsbyvarden lagen vor uns. Der Aufstieg hier ist kraftraubend, große Steintrümmer müssen auf dem steilen Weg nach oben überschritten werden.
Das Steinmännel: wir stehen oben auf dem Top des Slingsbyvarden.

Unter uns liegt die Spitze des Kattanakken und das langgezogene, heute leider wolkenbedeckte Oldendal.
Oben nahe des Eises des Gletscherplateaus Jostedalen machten wir Mittagspause und beobachteten das Gebiet: wir können bis Ramnane oder sogar dem Kvitekoll sehen.

Aber wir sahen auch immer dickere Wolken aufkommen, die aus dem Gegental aufstiegen: aus Richtung Austerdalen.
Wir waren uns unsicher, sollten wir den langen Weg üer den Gletscher starten, wir uns GPS, Karte und Kompass sicher führen?
Kurz danach standen wir auf dem Eis ... und auch kurz danach standen wir in dichter Suppe mit Sicht ... gerade so bis ans Seilende. Wir liefen weiter nach unserer Peilung und irgendwann standen wir wirklich wieder außerhalb der Wolken ... aber auch weit weg vom geplanten Weg: wir hatten uns ... ganz einfach verlaufen.
Die nur kurz über dem Plateau aufsteigenden Bergspitzen ... sahen nun plötzlich alle gleich aus; wo war unser Abstieg? Wo war Dauremålet, wo der Svartenibba? Das GPS zeigte auch nur verrückte Wege glatt übers Tal ... es war Zeit, uns selbst wieder zu finden.
Man öffne die Augen ... ist der Jostedalen nicht ein wunderschönes Gletschergebiet? Unendliche Welten voll Schnee und Eis ... bei jedem Schritt knackte das Eis unter den Füssen, wir durften hier sein, geniessen.

Augen auf, vor uns lagen die steilen Wände des Ramnane. Wir änderten unseren Kurs in Richtung Nord.
Gut 5km Umweg liefen wir, die uns viel Zeit kosteten.

Nur Eis umgab uns, Land, Stein, Fels war nicht mehr zu sehen: wir waren auf dem Hauptgletscherplateau Jostedalen, dem größten Gletscher auf dem Festland Europas. Und wir waren ... hier genau mittendrauf.
Unser Ziel nach dem Gletscher was ausgemacht: der Punkt 1684m vor dem Svartenibba, etwas rechts bei der Bildmitte.
Unser Weg führte uns talwärts, das Eis wurde gepackter, wir standen nun direkt oberhalb der Gletscherzunge Briksdalsbreen: würde man der Gletscherfließrichtung folgen, ständen wir bald am steil abfallenden Eisfall des Briksdalsbreen.
Aus dem Tal stiegen wir einige Höhenmeter wieder auf, wir liefen nun direkt auf dem Punkt 1684m zu: der Gletscher war nahezu passiert.

Wir waren einen halben Tag nun auf Eis und Schnee ... liefen gut und sicher. Doch, wir freuten uns, bald wieder festen Boden unter den Füssen haben zu können ... obwohl wir uns an das Eis gewohnt hatten, vermuteten, bereits berechnend unterwegs zu sein.

Ich mag solche Touren ganz einfach.
Wir näherten uns dem Punkt 1684m: der Gletscher wurde flacher, die Sonne intensiver. Die Oberfläche des Gletschers war aufgetaut, das Wasser jedoch ... konnte nicht abfliessen.

Wir wateten durch gut 10 Zentimeter hohes Wasser, das auf dem Gletschereis stand. Gut, unsere Schuhe hielten stand, aber wir versuchten immmer wieder, auf noch gefrorene Zonen auszuweichen: wir wollten nasse Füsse vermeiden.
Wieder zurück auf festem Grund: der Punkt 1684m.

Aber wir hatten ein neues Problem ... der Weg zum Gletschersee ... war nicht auffindbar ... wir suchten unseren eigenen Weg, und die Strecke war steiler als erwartet: wo ... geht nur der Weg nach unten???
Hinter mir ... ist der Briksdalsbreen. Habt ihr diesen Gletscher schon mal gesehen ... von hier aus?
Vor uns lag der Gipfel des Svartenibba, aber bis dahin mußten wir erst den Abstieg vom Punkt 1684m schaffen - und es war verdammt steil.
Genauso steil, wie der Gletscher ins Tal floß, schien der Weg nach unten zu führen ... nein, irgendwann standen wir vor schrägen Platten, unser Weg war zu Ende.

Wir standen vor der Wahl ... wieder aufsteigen, um einen erneuten Abstieg zu finden ... oder die steil anfallenden Platten zu queren. Wir überlegten, uns abzuseilen ... aber es gab keinen Fixpunkt, an dem man sich fest machen könnte ... wie soll es gehen?

Maik legte sich, sicherte mich ... ich rutschte sachte über die Platten verdammt steil gut 30 Meter nach unten. Ich erreichte das Ende der Platten, Maik seilte meinen Rucksack nach ... und ich suchte von hier, von unten ... nach dem optimalen Weg.

Doch, etwas zum Gletscher hin, zwischen den Platten ... ging ein schmaler Pfad. Die Familie konnte folgen, kam zu mir.
Wir standen am Abfluß des Gletschersees ... und damit vor einem neuen Problem: von oben wirkte das Flüsschen schmal; hier standen wir vor einem breiten, eiskalten und reissenden Gewässer. Durchwaten? Wie sollte ... es gehen?
Etwas stromabärts entdeckten wir eine kleine Schneebrücke. Wird sie uns tragen?

Der Rucksack wurde abgelegt, vorsichtig schob ich mich liegenderweise über die dünne Schneeschicht ... und erreichte das andere Ufer.

So ... schafften wir es, auch, wenn es wieder viel Zeit kostete.
Nun ging es wieder bergaufwärts, wir liefen in Richtung Svartenibba zu.
Bald schon standen wir am Höhenpunkt 1480m kurz vor dem Top des Svartenibba; auch hier markierte eine Kugel den Top.
Wir liefen weiter, nach unserer Planung waren wir um Stunden verspätet: und es zogen schon wieder dichte Wolken aus dem Tal auf.
Noch war der Weg klar markiert, wir fanden Steinmännel, die uns die Richtung wiesen.

Aber ...
... die Sicht wurde immer kürzer, der Nebel erschreckend dichter.

Wir standen auf dem Top des Svartenibba, das Gipfelzeichen lag kurz neben dem Top. Aber hier, das war klar, würde ein schmaler Pfad über einen steilen Grat nach unten führen ... und das ohne Sicht???
Nein, wir liefen nicht mehr talwärts, wir irrten. Sicht hatten wir kaum noch, den Weg ... hatten wir verloren. Oft schien es nur noch fast senkrecht hunderte Meter nach unten zu gehen: es war Zeit ... Zeit zum Beraten.

Nein, ich wollte nach unten, gehen, laufen, wir mußten es schaffen, noch heute. Da unten, da stand unser gemütliches Zelt.

Wir redeten ... die Argumente lagen auf der Hand ... weiter gehen ist gefährlich ... die Kräfte werden weichen ... wer weiß, was passiert ... lasst uns rasten, schlafen, morgen ... gehen wir weiter.

So entschieden wir ... und ... ich denke, es war eine weise Entscheidung. Wir bauten unser Zelt auf, Essen hatten wir genügend, warum einer Gefahr aussetzen ... lieber pausieren. Eine kleine Wiese wurde gesucht, das Zelt gestellt ... kurz oberhalb fanden wir eine Quelle, wir konnten uns waschen und die Wasservorräte auffüllen; aus der kritischen Situation ... wurde ein sinnvolles Notbiwak.
Doch ... ich wurde nachts noch mehrfach munter, schaute aus dem nassen Zelt: der Nebel wurde immer dichter, wie nur ... würde der nächste Tag werden?
Route 1 brachte uns nicht nur 16,5km über Gletscher, Schnee, Wasser und Stein: wir querten dichte Wolken und damit auch unsere Orientierungssorgen ... bei 1214Höhenmetern starteten wir, der höchste Punkt war 1838m, das Tagesziel lag wieder auf 1341m.

zum 13. Tag: Tourtag 1, der Kattanakken
zum 15. Tag: Tourtag 3, vom Svartenibba nach Åbrekke

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