Der Wetterbericht YR hatte eine kurze Besserung vorhergesagt, wir wagten den Aufstieg, immer bereit, abzubrechen. Vielleicht ist das der Schlüssel, den man hier gut lernt ... breche nichts übers Knie, der geeingete Moment wird kommen.

Wir starteten zeitig am Morgen, das Wetter schien sich nicht an der Vorhersage halten zu wollen: die Wolken lagen gerade über den Fjord, dicht, kaum waren Berge zu erkennen.
Dichter Nebel lag talwärts, laut Wetterbericht würde oben am Top die Sonne scheinen ... also was ... lasst uns starten!
An der Briksdalsbre Fjellstove wurde das Auto geparkt, wir starteten ab hier den Aufstieg mit voller Gletscherausrüstung bei gut 130 Metern über dem Meer.
Der Kleivafossen lag bei unserem Aufstieg im dichten Nebel; umso ruhiger war das Gletscherwasser wie auch der Aufstieg.
Kurz vor der hölzener Brücke verzweigte unser Weg in Richtung Süd ab: wir starteten den fast schon gewohnten und den eigentlich ziemlich geliebten Aufstieg zum Kattanakken, diesen Mal aber mit Ziel ... mehr.
Die Steinplatten gleich am Einstieg erwiesen sich als ziemlich schwierig: nass, glitschig - jeder Meter mußte erkämpft werden. Normalerweise quert man die Platten in wenigen Minuten, wir mußten kämpfen.
Aber die Sonne feuerte uns an: immer wieder kamen die Strahlen durch den "ewigen Nebel" ...
... doch genauso schnell, wie die Sonne erschien, holten uns dichte Wolken wiederum ein: wir pausierten am Wasserfall unterwegs, füllten unsere Flaschen auf und es gab die erste große Mahlzeit beim Aufstieg.
Neu für uns: unterwegs, schon weit unten, querten wir ein Schneefeld. Es war gut gefroren, wir kamen ohne Schneeaxt oder Steigeisen voran.
Im Nebel fühlten wir uns alpin unterwegs: kurz vor den Wiesen am Grat zum Top des Kattanakken stampften wir weiter durch Schnee aufwärts.
Am Ende des schmalen, von unten vom Tal aus kaum erkennbaren Felsband, kommt man auf eine steile Wiese, auf der ein klarer Pfad weiter den Weg nach oben zeigt.
Man nähert sich der 1000Meter-Höhenmarke und normalerweise sieht man hier zum ersten Mal das langgestreckte Oldendal, kann neue Kraft schöpfen: heute hatten wir nur Nebel, Wolken, hohe Luftfeuchtigkeit.
Doch ... kurz über 1000 moh: wir waren über den Wolken! Endlich ... gegenüber sah man die Bergkette des Svartenibbas, unser eigentliches Ziel: aber heute würde das wohl eher nichts mehr werden ...
Die Gletscherzunge Bridsdalsbreen: heute ein Schritt näher zum verrückten Traum, das war unser Tagesziel - nein, nicht Briksdalsbreen von oben, heute stand "nur" Slingsby Varden - der dunkle Fleck weit über dem Top des Kattanakken - als Ziel.
Das Wetter blieb stabil, als wir in Richtung des Grates des Kattanakken starteten: hier wäre ein guter Zeltplatz, wir waren garantiert nicht das letzte Mal hier.
Wir erreichten nach einiger Kletterei den Topp des Kattanakken - eine kleine Kugel zeigt den höchsten Punkt des Berggrates an.
Ab hier geht es einige Meter südlich bergab zum stark zerklüfteten Gletscher Tjøtabreen.
Man sagt, ab hier soll man nur mit einheimischen Gletscherführer gehen: aber der Gletscher verändert sich so schnell so stark; hilft hier wirklich Ortskenntnis?

Entsprechend den Empfehlungen gingen wir zuerst in Richtung Tjøtaskarven; also östlich.
Dort ... oben ... ist Slingsby Varden. Manno ... ich habe 6 Jahre gebraucht, um diesen Weg zu gehen und wirklich hier zu stehen.

Ich gehe Neuland ... für mich, ich quere einen schwierigen Gletscher. Unsicher starte ich, aber hier ist volle Aufmerksamkeit gefragt: wir umgehen breite Spalten, tasten uns über Schneebrücken. Ich setze ab und an Eisschrauben, wenn es mir besonders im Bauch krabbelt: das Eismeer scheint unendlich.

Aber jedem Meter gewinne ich Vertrauen, all unser Training in Österreich und in Norwegen machen sich bezahlt: wir queren das Eismeer. Perfekt.
Unterhalb Slingsby Varden ist eine Steininsel im Eis, die laufen wir an: im steilen Schnee laufen wir auf die nächsten Steinplatten zu.
Hinter uns liegt das Oldendal und der Gletschersee des Melkevollbreens: wir waren knapp unter Slingsbyvarden und vor allem ... guter Dinge. Kurz unterhalb des schwarzen Punktes überhalb des Kattanakkens werden die Schneefelder immer steiler.

Aber wir sind wie getrieben, wir wollen bis hoch zum Steinmann bei Slingsby Varden.
... und erreichen nach dem zerrissenen Gletscher unterhalb Slingsbyvarden das Steinfeld und damit sicheren Boden, aber auch nioch viele Aufstiegsmeter bis zum Top.
Die letzten Meter zehrten an den Kräften; große Steine erschweren den Aufstieg, der sowieso ewig erscheint; aber ... aber ... wir standen vor dem Steinmann auf Slingsby Varden!
Der Torsten ... steht weit über dem Kattanakken auf SlingsbyVarden nahe des Steinmännels: das scheinbar unmögliche Ziel war erreicht.

Wie ich mich fühlte?

Fragt nicht sowas.
Es war kalt, windig, lange wollten wir hier nicht bleiben: wir machten uns auf den Abstieg bereit, die Querung bis zum Svartenibba blieb für heute nur ein Traum.
Wir stehen am Steileisfeld unterhalb Slingsby Varden; ganz unten sieht man das Oldendal und danach auch den Top des Kattanakken von oben. Die Strecke führte direkt auf die Steininseln oberhalb des Gletschers Tjøtabreen zu.
Jetzt stehen wir genau auf diesen Steininseln kurz vor dem Gletscher Tjøtabreen: auch ein Platz zum Zelten. Kürzerer Weg zum Top des Slingsbyvarden als vom Kattanakken aus.

Man sieht die wunderschönen Eisformen im Gletscher Melkevollbreen unterhalb Slingsbyvarden: wir hatten heute sehr stabiles Eis, es ludt geradezu ein, um eventuell sogar bis zum Larsnibba zu laufen - die nächste Steininsel, der Berg rechts außerhalb des Bildes.
Man kann diesen Gletschersee von unten, von der Briksdalsbre Fjellstove aus, nicht sehen. Der Berg danach ist der Middagsnibba: ich muß wohl doch nochmals ins Oldendal ... es gibt noch so viel zu erkunden ;) !
Wir suchen den Weg zurück zum Top des Kattanakkens über das Eis des Tjøtabreen: der Gletscher ist spaltenübersäht, man gehe hier wirklich nur mit voller Ausrüstung, Erfahrung, Zuversicht und etwas Glauben an sich selbst übers Eis.
Wild und urwüchsig: wir waren auf den letzten Metern Eis kurz vor den Felsplatten des Kattanakkens.

Dagfinn vom Campingplatz Gryta sagte immer wieder, der Weg sei gefährlich; seid also vorsichtig. Und genauso hielten wir es, wir liefen wie in allen Gletscherkursen gelernt.
Kurz vor Kattanakken nahm die Fließgeschwindigkeit des Gletschers zu, die Spalten wurden tiefer, die Abstände kleiner. Die Schneebrücken dünner.

Aber wir fanden den Weg zurück.

Haltet euch an die empfohlene Strecke!
Unterhalb des Kattanakkens wurde die Steigeisen gelöst, wir waren wieder auf festen Grund: manno, ich fühlte mich einfach nur wahnsinnig gut, wir hatten es geschafft, waren oben auf Slingsbyvarden.

Und zurück.
Das Wetter blieb uns treu und wir hatten wieder eine geniale Talsicht zurück ins Oldendal. Mittig im Bild sieht man den Svartenibba und den Storeskaret - unser Traum war immer noch die Gletscherquerung von hier aus bis dort hin ... und der Traum wurde mit dem Erreichen der Slingsbyvarden wieder absolut realer.

Wir stiegen über die schrägen Steinplatten wieder abwärts.
Ich bin genau am Top des Kattanakkens: rechts oben im Bild sieht man die schwarze Insel im Eis, Slingsby Varden: genau dort waren wir vor wenigen Stunden.
Die Tour abwärts läuft auf bekannten Wegen, es gibt aus meiner Sicht nur eine Schlüsselstelle, an der man besser den Rucksack ablegt und nachreicht, eben hier genau.
Die Wanderung auf den Top des Kattanakken kann ich nur empfehlen: die Sicht zurück ins Tal Oldendal entlohnt für die Strapazen des Aufstiegs.
Talwärts ziehen die Wolken wieder zu, so stabil war das Wetter nun doch nicht.

Aber selbst das heutige Wolkenspiel machte die Tour zum Erlebnis.
Der Blick auf den Briksdalsbreen kurz vor dem vom Wasserfall gespeisten Fluß Tjøtaelva: unvorstellbare 1000 Höhenmeter ergibt sich die Gletscherzunge abwärts ins Tal vom Hauptgletscher aus.
Gibt es heute doch noch was zu essen? Nein, wir ließen die Marone stehen ... heute würde es irgendwas Einfaches ausm Glas gehen ... Rouladen, Entenbraten ... oder so ;).
Etwas angeschlagen erreichten wir das Schild abwärts des Hauptweges - Kattanakken - wir waren oben. Und waren weiter oben, bis auf Slingsby Varden.
Route 1: Wir fuhren bis zum Parkplatz der Briksdalsbre Fjellstove, parkten dort unser Auto.

Route 2: Slingsbyvarden, eine lange Tour: wir starteten auf gut 100 Höhenmetern, stiegen bis auf 1713m auf, liefen insgesamt 27km. Wir stiegen um ca. 1600 Höhenmeter auf und wieder ab, brauchten insgesamt 15½Stunden für die gesamte Strecke.

Route 3: Zurück zum Campingplatz fuhren wir wieder mit dem Auto.

zum 8. Tag: wieder zum Bødalsbreen
zum 10. Tag: Laukisætra

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